
Awareness
Das englische Wort Awareness heißt wörtlich Bewusstsein, und wird mittlerweile oft in der Weise verwendet, dass es um ein Bewusstsein, um Aufmerksamkeit oder auch um Achtsamkeit dafür geht, soziale Räume und zwischenmenschliche Situationen so zu gestalten, dass die Wahrscheinlichkeit von Herabwürdigungen und Verletzungen gemindert wird.
Da uns für die Räume und Situationen, die im Rahmen des DFH-Festivals entstehen, ein solches Bewusstsein und eine solche Aufmerksamkeit und Achtsamkeit auf der Ebene von Denken, Fühlen und Handeln wichtig ist, stellen wir hier eine Awareness-Idee vor.
Awareness verstehen wir nicht nur als individuelle Aufgabe, sondern als mehrdimensionale, kollektive (und unabgeschlossene) Praxis der Schaffung und Kultivierung von Selbstreflexivität, Aufmerksamkeit und Sensibilität für die Verhinderung und Reduktion von Diskriminierung.
Diese Idee verweist darauf, dass das gesamte DFH-Festival und seine einzelnen Veranstaltungen von dem Anliegen geprägt sind, so wenig Diskriminierung und Ausschluss wie möglich zur Folge zu haben. Zu kritisieren und womöglich auch auszuschließen sind allerdings menschenverachtende Praktiken, etwa rassistischer oder misogyner Art.
Mit der Awareness-Idee verbindet sich das Bestreben, diskriminierungsarme, inklusive und sichere Räume zu schaffen. Vor, während und nach den DFH-Veranstaltungen ist dies eine leitende Idee des Miteinanders.
Alle Veranstalter*innen orientieren sich an dieser Idee. Sie ist also erstens als Orientierungs- und Reflexionsrahmen zu verstehen und nicht als Sammlung von Geboten. Zweitens gehen wir davon aus, dass Ausschlüsse vorkommen und vielleicht zuweilen auch unangenehme Erfahrungen gemacht werden, die wir eigentlich verhindern möchten – etwa durch Barrieren in den physischen Räumen, die wir nutzen, auf Grund der eingeschränkten Ressourcen, die zur Verfügung stehen oder durch Routinen der Unwissenheit und Unempfindlichkeit (auch der Veranstalter*innen und Organisator*innen).
Inklusion und Diskriminierungskritik sind Leitlinien, die helfen, weniger exklusiv und weniger diskriminierend zu handeln sowie eigene Routinen und gegebene Strukturen des unangemessenen Ausschlusses und Diskriminierung zu erkennen. Awareness ist ein Lernangebot – für alle; und auch eine Art Richtschnur für die materiell-räumliche, sprachlich-kommunikative und thematisch-inhaltliche Weiterentwicklung dessen, was das demokratische Grundanliegen des DFH-Festivals ist: Gelegenheiten schaffen, in denen sich maximal viele Menschen mit ihren unterschiedlichen Positionen, Perspektiven und Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit der Grundfrage einbringen können, wie eine gerechtere gesellschaftliche, planetare Ordnung aussieht, in der weniger zerstörerische Gewalt gegen die Natur, menschliche und nicht-menschliche Spezies möglich ist.
Das DFH-Festival lädt dazu ein, individuelle, institutionelle und gesellschaftliche Bedingungen von Inklusion und Exklusion zu reflektieren und damit eine Grundlage für bewusstes Denken, empathisches und solidarisches Fühlen und verantwortungsvolles Handeln zu schaffen.
Awarenessarbeit zielt darauf ab, dass sich alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer sexueller Orientierung, ihrer Hautfarbe, ihrer (sozialen) Herkunft, ihrem Aussehen und ihren körperlichen, sensorischen oder kognitiven Fähigkeiten möglichst wohl, frei und sicher fühlen können.
Ein zentraler Bestandteil von Awareness ist für uns hierbei die Auseinandersetzung mit den Fragen: Wer hat Zugang? Welche Bedürfnisse werden berücksichtigt? Wo bestehen Risiken und Bedrohungen?
Zugänglichkeit bedeutet nicht nur, dass Räume physisch erreichbar sind, sondern auch den Zugang zu Sprache, Inhalten und Teilhabe an Gesprächen innerhalb von Veranstaltungen. Wir hinterfragen, inwiefern unsere Veranstaltungsorte spezifisch materielle und soziale Barrieren aufweisen, wie diese reduziert werden können, ob Sprache und Themenwahl inklusiv wirken oder symbolische Hürden aufbauen. Dabei fragen wir auch, wessen Perspektiven eingebunden werden – und wessen Stimmen womöglich fehlen.
Bedürfnisse sind vielfältig und oft bleiben sie unsichtbar, wenn sie nicht aktiv erfragt und ernst genommen werden. Deshalb ist es wichtig darauf zu achten, möglichst unterschiedliche Formate, Zeiten und Orte zu bedienen, um damit unterschiedliche Gruppen anzusprechen. Die DFH-Veranstaltungen nehmen deshalb Fragen wie diese ernst: Was brauchen Menschen, um sich möglichst eingeladen, sicher und respektiert zu fühlen? Wie können Bedürfnisse nach Kinderbetreuung, Still- und Ruheräumen, Ernährung oder emotionaler Sicherheit von Anfang an mitgedacht werden?
Bedrohungen schließlich bezeichnen Momente, in denen Menschen durch körperliche oder symbolische Gewalt verletzt, ausgeschlossen oder gefährdet werden. Awareness heißt auch, diese Risiken ernst zu nehmen und darauf vorbereitet zu sein. Wir prüfen, welche externen Strukturen im Ernstfall unterstützen können und machen sichtbar, wo über Awareness hinaus weitergehende Schutzmechanismen notwendig sind insbesondere in öffentlich zugänglichen Veranstaltungsräumen, in denen der Schutz aller Menschen gewahrt bleiben muss.
Unser Anliegen auf dem Festival ist es, Räume zu schaffen, in denen sich möglichst viele sicher fühlen, miteinander denken können und zum gemeinsamen Handeln angeregt werden.
Auf einigen DFH-Veranstaltungen wird es Awareness-Teams geben, die sichtbar, ansprechbar und unterstützend vor Ort sind. Bei allen größeren Veranstaltungen ist eine Notfallnummer deutlich ausgeschildert. Sowohl das morgendliche Zusammenkommen in der FÜHLBAR (ajh.pm, Dornberger Str. 2, 33615 Bielefeld; https://www.dfh-festival.de/event/moglichkeit-zum-morgendlichen-zusammenkommen/) als auch die Möglichkeit zum mittäglichen Zusammenkommen im Hof des Kunstvereins (Kunstverein, Welle 61, 33602 Bielefeld; https://www.dfh-festival.de/event/moglichkeit-des-mittaglichen-zusammenkommens/) stellen Möglichkeitsräume dar, sich über eigene Erfahrungen und Beobachtungen auszutauschen – auch etwa über Ausschlüsse und andere Eigentümlichkeiten auf den Veranstaltungen des DFH-Festivals. Wir freuen uns über Ihre Hinweise.
Für uns ist Awareness kein fertiges Konzept, sondern ein fortlaufender Prozess des Lernens, Verlernens und gemeinsamen Gestaltens.
Das Gespräch, auch der Streit, das Miteinander gelingt, wenn wir gemeinsam Verantwortung dafür übernehmen, dass auch die jeweils anderen zu Wort kommen und gehört werden.